Ronnie Bullus und Erika Baynard, geb. Bullus
am 06.11.2016 auf der NSU 500 SS "Bullus" im Deutschen Zweirad- und NSU-Museum, Neckarsulm, Foto: privat

"Eternally grateful to Susanne for bringing the past back to life - without her interest and dedication this history would have been lost forever."
The Bullus Family

Pressetext

Hilde & Tommy – das ist die authentische Liebesgeschichte zwischen Hilde, Nesthäkchen der Familie Fritz Gehr, Direktor der NSU-Werke, und dem legendären englischen Motorrad-Rennfahrer Tom »Tommy« Bullus. Das Buch gestattet einen ebenso einzigartigen Einblick in die wechselhafte Unternehmensgeschichte bis zum Ende der Weimarer Republik wie auch in die unglaubliche Story des Ausnahmetalents Bullus.

Gekonnt verstrickt die Autorin Susanne Schartel, Urenkelin der Familie Gehr, die Erzählungen ihrer Vorfahren mit historischen Fakten. Sie beschreibt mitreißend, wie schicksalhaft und folgenreich der Antrittsbesuch des sympathischen Pechvogels aus Yorkshire bei den Vereinigten Fahrzeugwerken in Neckarsulm im Dezember des Jahres 1929 für beide Seiten war. Darüber hinaus lässt Schartel den Leser an dem bewegten Leben der schwäbischen Unternehmerfamilie sowie den wichtigsten Motorradrennen und Ereignissen der damaligen Zeit teilhaben.

Der reich bebilderte biographische Roman enthält noch nie veröffentlichte Dokumente und Photographien aus dem Familienbesitz.

Leseprobe

Gegen Ende der siebten Runde, als er sich gerade auf die Linkskurve zum Schloss vorbereitete, bemerkte er, dass der Fahrer, dem er sich stetig genähert hatte, Giggenbach war. Beide Fahrer flogen auf die Kurve zu und gingen fast parallel in Schräglage. Für einen Moment sah es so aus, als ob sie sich berührten. Ein Raunen ging durch die Zuschauer am Straßenrand. Tommy war es, der sich einen Bruchteil einer Sekunde früher aufrichtete und beschleunigte. Er hatte Giggenbach erfolgreich überholt.

Als er in der neunten Runde durch die Glemstal-Ebene schoss, erkannte er vor sich Huth auf seiner BMW. »Den hol’ ich mir noch vor dem Anstieg«, sagte er zu sich und gab Vollgas. Er näherte sich Huth kurz vor der Rechtskurve am Glemseck. Für ein paar Sekunden blieb er in seinem Windschatten. Unmittelbar, bevor es Zeit war, die Geschwindigkeit zu verringern, positionierte er sich leicht links versetzt hinter ihm und wartete, dass Huth als erster bremste. Er holte tief Luft, richtete sich auf, schaltete herunter, bremste, sah, dass rechts von Huth genug Platz war, und zog innen an ihm vorbei. So war er der erste, der am Kurvenausgang wieder Gas geben konnte und ließ Huth hinter sich. »Yess!«, rief Tommy und freute sich. Die Zuschauer auf den Tribünen am Glemseck überschlugen sich vor Begeisterung, klatschten und johlten. Tommy grinste zufrieden.

Es dauerte fast zehn Minuten, bis er seinen Mannschaftsgefährten Rüttchen vor sich sah. Die beiden befanden sich gerade am Beginn der Ramtel-Kurven. Auch hier gelang ihm ein mutiges Überholmanöver und die Menge tobte. ›Nur noch eine Dreiviertel Runde‹, dachte Tommy, ›jetzt nicht die Nerven verlieren.‹ Er wusste, dass er nun an allen anderen Fahrern vorbeigezogen war, bis auf einen. Zündorf hatte allerdings auch den dreiminütigen Startvorsprung der 1.000er-Klasse und war verdammt schnell. Würde es ihm gelingen, auf unter drei Minuten Abstand an ihn heranzukommen?

Nach genau zwei Stunden, einer Minute und 10,4 Sekunden donnerte Tom Bullus als Gesamtsieger des Rennens unter dem tosenden Beifall der Zuschauer über die Ziellinie. Zudem hatte er mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von sagenhaften 110,4 Stunden-kilometern einen neuen Solitude-Rekord aufgestellt.

Sensationell waren auch die Ergebnisse der anderen NSU-Fahrer: Ulmen fuhr in Tommys Klasse auf Platz drei, hinter Bauhofer. Rüttchen wurde in der Klasse bis 1.000 ccm Zweiter und Giggenbach Vierter. Was für ein Erfolg für die Vereinigten Fahrzeugwerke von Neckarsulm!

Als sich das hervorragende Abschneiden ihrer Fahrer nach der neunten Runde abgezeichnet hatte, hatten sich die Neckarsulmer von der Haupttribüne auf den Weg zum Depot-Bereich ihrer Mannschaft hinter der Ziellinie begeben. Dort war die Stimmung ebenso euphorisch gewesen wie auf der Tribüne. Manche der Mechaniker hatten gar nicht hinschauen können, so angespannt waren sie gewesen, dass in der letzten Runde nicht doch noch etwas schiefgehen würde. Dann war es endlich so weit: Tommy fuhr in die Gasse ein. Kaum hatte er den Motor ausgeschaltet, wurde er von den Mechanikern vom Motorrad gehoben. Er wusste nicht wie ihm geschah, hatte er doch sein sensationelles Abschneiden noch gar nicht voll realisiert. Ihn interessierten die Details, seine Zeit, die der anderen. Und wo waren seine Stallkameraden? Nach und nach kamen sie alle an. Hilde stand am Rand der feiernden Truppe und beobachtete, was sich da vor ihren Augen abspielte. So eine ausgelassene Freude hatte sie noch nie gesehen oder gar selbst erlebt. Selbst ihr Vater sprang auf und ab wie ein kleiner Junge. Es war eine Sternstunde für NSU.

Bei der Siegerehrung hatte so mancher in der Mannschaft – und vielleicht auch im Vorstand – Tränen in den Augen. Die hohen Investitionen in den neuen, englischen Weg zur gesamtwirtschaftlichen Unzeit und all das Hoffen und Bangen waren es wert gewesen. Der Auftakterfolg auf dem Nürburgring war nun als selbstverständlich erhärtet worden und niemand würde mehr von einem Zufallserfolg sprechen. Die Neckarsulmer hatte bewiesen, dass sie nun zu den Besten im Motorradrennsport zählten und die Menschen da draußen würden ab sofort davon träumen, einmal eine Maschine von NSU zu besitzen.

Auch Hilde hatte Tränen in den Augen, als sie Tommy in seinem Lederanzug und den hohen Stiefeln dastehen sah, mit dem Lorbeerkranz um den Hals. Umjubelt, glücklich und etwas verlegen. Für einen Moment glaubte sie, dass er sie anlächelte. Genau in diesem Moment drückte der Photograph auf den Auslöser.

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